Ist es richtig, sich von der Kirche als Institution einfach zu verabschieden?

Kirche in der Gesellschaft der Zukunft.

Ein Forschungsprojekt an der Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg.

Das Schwinden der Bindekraft von gesellschaftlichen Institutionen in den letzten Jahrzehnten hat auch die Kirche(n) erfasst. Dies wird als Verwandlung der Kirche von einer Institution hin zu einer Organisation, einer Bewegung oder einem Netzwerk beschrieben.

Impulse für diese Veränderungen gehen u.a. von der fortschreitenden funktionalen Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft, vom Zurücktreten der Relevanz des Allgemeinen vor dem Individuellen, von der Globalisierung und von der Digitalisierung aus. Letztere ist zudem maßgeblich für die ungeheure Beschleunigung dieses Prozesses verantwortlich, die in den letzten Jahren zu beobachten war.

Gleichzeitig ist wahrzunehmen, dass dieser Prozess zum Verlust an Bindekräften für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, zu Überforderung und Verunsicherung der Individuen und in der Folge zu regressiven Reaktionen wie dem Ruf nach einfachen Lösungen, Populismus und erstarkendem Autoritarismus führt. Ist dieser Prozess als endlos anzusehen oder wird er enden: in disruptiven Schüben oder von Politik und Zivilgesellschaft bewusst gestaltet?

Vor diesem Hintergrund – so die Ausgangsvermutung dieses Forschungsprojektes – ist die Veränderung der Kirche hin zu Organisation, Bewegung und Netzwerk zwar einerseits richtig und unausweichlich, als alleinige Perspektive aber unzureichend.

Wie auch nach einer neuen, wieder stabileren Rolle gesellschaftlicher Institutionen gefragt wird, so kann diese Frage auch auf die Kirche angewendet werden: Ist es richtig, sich von der Kirche als Institution einfach hin zu verabschieden, wenn damit Binde- und Integrationskräfte preisgegeben werden, die sowohl für die Gesellschaft als auch für die Religion benötigt werden, um den Individuen einen stabilen Rahmen für ihr Leben und ihren Glauben zu geben?

Wenn diese Preisgabe der Institution aber nicht richtig ist: Wie müsste „Kirche als Institution X.X“ beschrieben werden? Denn die Rückkehr zu institutionellen Gestalten des 19. Und 20. Jahrhunderts ist weder möglich, noch wäre sie angemessen. Es gilt mithin, ein neues Institutsionenverständnis zu entwickeln und dies konkret auf die evangelischen Kirchen in Deutschland zu beziehen.

Dieser Aufgabe will sich das Forschungsprojekt stellen und dabei interdisziplinär vor allem theologische, sozial- und politikwissenschaftliche, aber auch systemtheoretische Perspektiven ausleuchten. Die Arbeit wird als Beitrag zur Gestaltung des Zusammenhalts der Gesellschaft der Zukunft gesehen.